Stimmen aus dem Aufstand in Indonesien

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Affan Kurniawan lebt auf den Straßen weiter

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Ende August 2025 kam es in ganz Indonesien zu einer Welle von Protesten. In diesem Bericht präsentieren wir ein Interview mit einem inhaftierten indonesischen anarchistischen Autor sowie verschiedene Stellungnahmen anarchistischer Gruppen, die seit Beginn des Aufstands an englischsprachige Medien gelangt sind.


Nach wochenlangen Protesten in ganz Indonesien gegen Sparmaßnahmen versammelten sich in der Woche vom 25. August zahlreiche Demonstrant*innen, um der politischen Elite Indonesiens Gleichgültigkeit und Korruption vorzuwerfen.

Die indonesische Regierung gewährt Parlamentsabgeordneten ein monatliches Gehalt von 100 Millionen Rupiah (etwa 6.081 US-Dollar) – das ist etwa das 30-Fache des Mindestlohns in Jakarta, wo die höchsten Löhne des Landes zu finden sind.1 Als Berichte kursierten, dass die Abgeordneten zusätzlich 50 Millionen Rupiah pro Monat als Wohngeld erhielten, kam es zu Wutausbrüchen. Diese Nachricht kam inmitten einer Phase hoher Inflation, einer neuen Runde von Sparmaßnahmen und zunehmender Armut.

Gewerkschafter*innen, Anarchist*innen, Studierende, Linke, Jugendliche und andere Demonstrant*innen füllten in der Woche vom 25. August die Straßen. Sie wurden von der Polizei, die dem derzeitigen Präsidenten Prabowo Subianto, zuvor war er Verteidigungsminister, untersteht, massiv unterdrückt. Am 28. August wurde Affan Kurniawan, ein 21-jähriger Kurierfahrer, der gerade unterwegs war, um Essen auszuliefern, von einem gepanzerten Fahrzeug der Mobilen Einheit der Nationalpolizei angefahren und getötet.

Ein Demonstrant in Indonesien hält ein Schild mit der Aufschrift »Affan Kurniawan – von der Polizei getötet«.

Als Reaktion auf den Mord an Affan kam es zu Aufständen von Lieferant*innen, Anarchist*innen und Jugendlichen aus verschiedenen anderen Bevölkerungsgruppen. Demonstrant*innen plünderten mehrere Polizeistationen, brannten die Häuser von Politikern nieder und steckten Regierungsgebäude in Brand.

Diese Situation zwang den Premierminister dazu, den Gipfel der Shanghai Cooperation Organization (SCO) in China vorzeitig zu verlassen. Die Regierung hat angedeutet, dass sie möglicherweise einige der Vergünstigungen für Politiker und einige der Sparmaßnahmen, die den Aufstand ausgelöst haben, aufheben könnte. Präsident Prabowo Subianto hat jedoch die Repressionen verstärkt und das Militär hinzugezogen, was zu mindestens sechs Todesfällen geführt hat – darunter ein Student, der in Yogyakarta (Java) von der Polizei zu Tode geprügelt wurde, und ein Rikschafahrer, der in Solo (Java) an den Folgen des Tränengaseinsatzes starb. Die Gesamtzahl der Todesopfer ist weiterhin unbekannt.

Indonesien, das bis 1949 unter niederländischer Kolonialherrschaft stand, ist nach wie vor stark polarisiert und weist enorme Unterschiede bezüglich ökonomischer Ressourcen und Macht auf. In den 1960er Jahren forderte die Gewalt gegen Mitglieder und mutmaßliche Sympathisant*innen der Kommunistischen Partei Indonesiens (Pki) Hunderttausende Menschenleben. Die zeitgenössische anarchistische Bewegung entstand Ende der 1980er Jahre, unter anderem dank der Bemühungen von Punkbands. Die Polizei führte 2011 eine »Anti-Anarchie«-Abteilung ein, und in mehreren Fällen wurden Personen, die als Anarcho-Punks angesehen wurden, entführt und in staatlich sanktionierten Umerziehungslagern inhaftiert.

Trotz aller Widrigkeiten ist die anarchistische Bewegung weiter gewachsen. Angesichts der beispiellosen staatlichen Repressionen auf der ganzen Welt sind die mutigen Aktionen der Rebell*innen in Indonesien eine große Inspiration für alle, die die kapitalistische Weltordnung ablehnen. Demonstrant*innen in Indonesien berichten von verschiedenen Formen der digitalen Kommunikationskontrolle, die sich wahrscheinlich noch verschärfen werden, wenn der Konflikt weiter eskaliert. Wir hoffen, dass dieser vorläufige Bericht die Aufmerksamkeit auf die Situation lenkt und Menschen in anderen Teilen der Welt dazu ermutigt, sich zu informieren und solidarisch zu handeln.

Affan Kurniawan wird nicht vergessen, noch wird seinen Mörder vergeben werden. Solidarität mit den Mutigen, die dafür auf den Straßen sorgen.

– Anarchist*innen in Solidarität mit dem Aufstand in Indonesien

Demonstrant*innen versammeln sich vor dem Hauptquartier der Regionalpolizei von


Ein Gespräch mit dem anarchistischen Gefangenen und Autor Bima

Bima ist ein anarchistischer Schriftsteller, Übersetzer und unabhängiger Forscher aus Indonesien, der seit 2021 inhaftiert ist. Hinter Gittern ist er weiterhin als Mitglied einer anarchistischen Föderation aktiv. Er ist außerdem Gründer des diy Verlags Pustaka Catut und Autor des Buches Anarchy in Alifuru: The History of Stateless Societies in the Maluku Islands, das bei Minor Compositions erschienen ist. Ihr könnt ihn auf Patreon unterstützen.

Wir haben dieses Interview mit Bima in den ersten Septembertagen 2025 geführt.

Wie möchtest du dich vorstellen?

Ich bin Schriftsteller, Gefangener und Mitglied einer anarchistischen Vereinigung, die aus Sicherheitsgründen in dieser beängstigenden Zeit anonym bleiben möchte.

Kannst du etwas zum Hintergrund der aktuellen Unruhen sagen?

Diese Rebellionswelle, die Ende August 2025 begann, wurde durch die Anhäufung von Wut über verschiedene politische und wirtschaftliche Probleme ausgelöst. Es gab kein einzelnes spezifisches Problem als Ursache. Aber alles eskalierte aufgrund massiver Erhöhungen der Grundsteuern in der gesamten Region, die mit dem Haushaltsdefizits der Regierung gerechtfertigt werden.

Gleichzeitig erhielten die Mitglieder des Parlaments eine zehnfache Erhöhung ihrer Gehälter. Die Wut wurde durch saloppe Äußerungen von Beamten verschärft. So sagte beispielsweise der Regent von Pati (der Politiker, der für die Aufsicht über die Kommunalverwaltung, die Politik und die öffentlichen Dienste in der Regentschaft Pati in Zentraljava zuständig ist): »Die Steuern würden nicht gesenkt, selbst wenn eine Massendemonstration von 50.000 Menschen stattfinden würde.« Pati war die erste Stadt, in der es am 10. August 2025 mit rund 100.000 Teilnehmern zu Ausschreitungen kam. Die Proteste gegen die Steuererhöhung breiteten sich zunächst auf Bone (in der Provinz Süd-Sulawesi) und dann auf andere Städte aus.

Während einer Demonstration am 28. August in Jakarta wurde ein Lieferant einer Online-Essensliefer-App getötet, nachdem er während der Proteste von einem Polizeifahrzeug überfahren worden war. Am folgenden Tag breiteten sich die Demonstrationen auf viele Städte aus und dauern bis zum Zeitpunkt, da ich euch schreibe, an.

Mindestens sechs Zivilist*innen wurden bisher als direkte Folge der Polizeirepression getötet, mehrere Häuser von Abgeordneten wurden geplündert und ein halbes Dutzend Büros des Repräsentantenhauses wurden teilweise oder vollständig niedergebrannt. Wir gingen davon aus, dass diese Rebellion abklingen würde, aber die Wut der Öffentlichkeit ließ nicht nach.

Student*innen konfrontieren die Polizei während einer Demonstration vor dem regionalen Polizeipräsidium in Jakarta, Indonesien, am 29. August 2025.

Welche Arten von Gruppen waren an den Aufständen beteiligt? Und inwieweit sind sie vereint?

Es gibt viele Organisationen, Netzwerke und Gruppen, die Forderungen formulieren. Mensch könnte sagen, dass jede Stadt sogar ihre eigenen spezifischen Forderungen hat.

Im Allgemeinen gibt es zwei »revolutionäre« Forderungen: Die erste stammt von der Sozialistischen Partei Indonesiens, Perserikatan Sosialis (Ps), und die andere von einem losen, informellen und dezentralen Netzwerk, das die Erklärung der Indonesischen Föderalistischen Revolution 2025 veröffentlicht hat, in der die Auflösung des Einheitsstaates und des DPR-Systems (Indonesisches Repräsentantenhaus) und dessen Ersatz durch einen demokratischen Konföderalismus aus Tausenden von Räten zur Umsetzung der direkten Demokratie gefordert wird. Ahmad Sahroni, ein Mitglied des Repräsentantenhauses (DPR) von der Nationaldemokratischen Partei (NasDem), bezeichnete diese Forderungen als »dumm«. Dies führte dazu, dass sein Haus in Nord-Jakarta am 30. August angegriffen und geplündert wurde.

Aufständische Anarchist*innen, Individualist*innen und Post-Linke konzentrieren sich auf Angriffe und Straßenkämpfe und fordern die Zerstörung des Staates und des Kapitalismus, ohne sich jedoch um eine Plattform oder ein Programm mit Forderungen zu kümmern, die zumindest eine Reform des Bestehenden fordern würde.

Im Allgemeinen gibt es keine einheitliche Front, aber wir vermeiden eh übertriebenes ideologisches Sektierertum.

Leider gibt es auch progressive Liberale mit eher reformistischen Forderungen, wie beispielsweise die 17+8-Forderung (ein Slogan von »pro-demokratischen« Aktivist*innen, der fordert, dass reformistische Forderungen bis zum 5. September 2025 erfüllt werden). Diese Gruppe steht unter starkem Einfluss liberaler Online-Influencer*innen, die dazu aufrufen, die Proteste zu beenden. Diese Influencer*innen gehen sogar so weit zu behaupten, dass die Demonstrant*innen verantwortlich sein werden, wenn das Militär aufgrund des Widerstands auf den Straßen das Kriegsrecht verhängt (typische Gaslighting-Taktik der Mitte und Dämonisierung des revolutionären Widerstands und der revolutionären Organisationen). Glücklicherweise sind sich alle linken und anarchistischen Elemente einig, dass die Proteste eskalieren sollten. Wir wissen noch nicht, was passieren wird, da dieser »Diskurskrieg« noch andauert.

Ehrlich gesagt sind zu viele Gruppen an dem Aufstand beteiligt, um eine einfache Antwort zu geben. Die gesamte linke und anarchistische Bewegung verschiedener Organisationen geht auf die Straße, aber es gibt keine Einheitsfront. In jeder Stadt konsolidieren progressive Elemente der Gesellschaft, seien es Studierende, Gewerkschaften oder sogar Schulkinder, ihre Aktionen. Einige Aktionen waren organisch und entstanden als unkoordinierte Gemeinschaftsinitiativen, wie beispielsweise die Angriffe auf Polizeiposten und -stationen, von denen mehrere in Brand gesetzt wurden.

Ein Polizeiverkehrsposten brennt am 29. August 2025.

Wie tragen Anarchist*innen zum Aufstand bei?

Ich bin ein revolutionärer Pessimist, beeinflusst vom Diskurs des Anarcho-Nihilismus. Aber ich befürworte dennoch eine soziale Revolution, da es keinen leeren sozialen Raum gibt. Indonesien ist der multikulturellste Archipel der Welt mit Tausenden von Ethnien und Sprachen. In einigen Regionen kommt es zu separatistischen Diskursen. Einige Adlige aus alten Dynastien drängen auf eine Wiederbelebung der Monarchie. Es gibt auch autoritäre islamische Fundamentalisten und Dschihadisten, die ein Kalifat im Land wollen. Daher halte ich es für unumgänglich, dass Revolutionär*innen ihr Programm als Alternative zu all diesen schlechten Möglichkeiten anbieten. Die Welle der Rebellion ist ein Symptom der bevorstehenden großen Spaltung, und Anarchist*innen müssen eine Rolle übernehmen. Andernfalls sind die Optionen schlecht. Sehr, sehr schlecht.

Was glaubst du, wird aus diesem Aufstand werden? Und wie siehst du die Zukunft der anarchistischen Bewegung in Indonesien?

Ich bin pessimistisch. Wir haben uns in mehreren Städten etabliert, aber insgesamt sind wir relativ schwach, obwohl wir grundsätzlich recht militant sind.

Wir sind beeinflusst vom uruguayischen Ansatz des Especifismo, der eine zweigleisige Organisation vorsieht. Das bedeutet, dass wir uns nicht nur politischen Organisationen anschließen, sondern auch Basisorganisationen wie Gewerkschaften, Studierendenorganisationen, indigene Organisationen und so weiter.

Wir verwenden immer noch die klassische Definition von Revolution, aber dafür braucht es eine starke organisatorische Basis in der Bevölkerung, um sie zu verwirklichen. Trotzdem wiederholen sich die jüngsten Aufstände seit 2019 wie ein routinemäßiger Zyklus. Das begeistert uns zwar, und beinhaltet, dass wir uns anstrengen müssen, um mit den Aufständen und dem Willen der Massen Schritt zu halten. Aber dafür müssen wir wachsen und unsere Militanz verstärken.

Ich glaube nicht, dass es eine wirkliche Veränderung geben wird, wenn es nicht zu einem gewaltsamen Sturz der Herrschaft kommt und die momentanen Amtsinhaber nur Reformen versprechen. Die derzeitige herrschende Klasse hat eine aufgeblähte Koalition gebildet, die alle ihre ehemaligen Gegner umfasst und ihnen »ein Stück vom Kuchen gibt«. Bislang sind wir die einzigen Mitglieder des informellen, dezentralisierten antiautoritären Netzwerks, die die Absetzung des Präsidenten und des Vizepräsidenten fordern. Das Problem ist, dass es bisher keine Forderungen nach ihrer Absetzung gegeben hat. Daher wird eine Reform noch Zeit brauchen, und eine anarchistische Revolution ist aufgrund organisatorischer Schwächen und des Fehlens progressiver Gewerkschaften, die in der Lage wären, einen nationalen Streik zu führen, unmöglich.

Die organische Forderung der Bevölkerung nach einer Auflösung des Parlaments unter dem Hashtag #bubarkanDPR (»Löst die DPR auf«), die Beteiligung einer vielfältigeren Masse an den Protesten (Indonesien ist bekannt dafür, dass es den studentischen Avantgardismus von 1965 und 1998 romantisiert) und die Anwendung von Gegengewalt stellen jedoch einen Fortschritt dar, der vor einem Jahrzehnt noch unvorstellbar gewesen wäre. Anarchist*innen haben dabei eine entscheidende Rolle gespielt. Dennoch glaube ich persönlich nicht, dass die anarchistische Bewegung zu einer anarchistischen Revolution führen wird, selbst wenn sich die Gelegenheit dazu bieten sollte. Aber sie könnte durch eine Einheitsfront innerhalb etablierter Gruppen einen enormen libertären Einfluss ausüben. So würde beispielsweise der Vorschlag für einen revolutionären demokratischen Konföderalismus, der eigentlich mit klassischen anarchistischen Vorschlägen übereinstimmt, wahrscheinlich vom gesamten Spektrum der bestehenden linken und separatistischen nationalen Befreiungsbewegungen in einigen Regionen akzeptiert werden. Vielleicht. Die Proteste gegen das Omnibusgesetz im Jahr 2020 waren ebenfalls bedeutend, aber der Aufstand in diesem Jahr ist der blutigste, der verheerendste und der mitreißendste (wir haben eine beträchtliche Anzahl von Radikalisierung unter Teilen der Gesellschaft). Sie hat noch nicht das Ausmaß erreicht, das während des Sturzes von Suhartos militaristischem Regime im Jahr 1998 zu beobachten war. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass dies bald geschehen könnte.

Leider warne ich auch davor, dass wir, wenn der lang erwartete Moment kommt, nicht bereit für eine Revolution sein werden, wenn wir hauptsächlich mit Straßenkämpfen reagieren werden.

Anarchist*innen blockierten Straßen und verbrannten Gegenstände während nächtlicher Ausschreitungen in Bandung City, West Java, während sie schwarz-rote Flaggen und die One Piece Jolly Roger trugen.


Weitere Stimmen aus Indonesien

Zusätzlich zum Interview mit Bima erhielten wir am 2. September den folgenden Bericht von Reza Rizkia aus Jakarta:

Die Welle von Demonstrationen, die am 25. August 2025 in ganz Indonesien begann, hält weiterhin an und hinterlässt eine Spur von Tragödien und Unruhen. Was als Protest gegen die geplante monatliche Wohnbeihilfe in Höhe von 50 Millionen Rupiah für Parlamentsmitglieder begann, hat sich zu einer landesweiten Bewegung mit weiterreichenden Forderungen entwickelt: der Überprüfbarkeit der parlamentarischen Leistung, einer Polizeireform und einem Ende der exzessiven Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte.

Am 28. August eskalierten die Spannungen, nachdem ein Kurierfahrer, Affan Kurniawan, in Bendungan Hilir (Jakarta) von einem gepanzerten Fahrzeug der Mobilen Einheit (Brimob) angefahren und getötet wurde. Aufnahmen des Vorfalls verbreiteten sich rasch in den sozialen Medien und lösten Solidaritätsproteste von Studierenden und Lieferanten-Fahrergemeinschaften aus. Die Tragödie wurde zu einem Wendepunkt und führte zu einer Ausweitung der Demonstrationen sowohl in der Hauptstadt als auch im ganzen Land.

Die Gewalt griff bald auf andere Großstädte über. In Makassar setzten Demonstrant*innen das Gebäude des Regionalparlaments (DPRD) in Brand und töteten drei darin eingeschlossene Mitarbeiter. In Solo starb ein Rikschafahrer namens Sumari bei Zusammenstößen, während in Yogyakarta der Student Rheza Sendy Pratama bei einer Demonstration vor dem regionalen Polizeipräsidium getötet wurde. Ein weiteres Opfer, Rusmadiansyah, ein Kurier-Fahrer, wurde von einem Mob zu Tode geprügelt, nachdem er beschuldigt worden war, ein Geheimdienstagent zu sein. Einige Berichte weisen auch auf weitere Todesopfer hin, darunter einen Berufsschüler in Pati. Insgesamt haben bis Ende August mindestens sieben bis acht Menschen bei den Unruhen ihr Leben verloren.

Die Regierung hat mit Beileidsbekundungen reagiert. Präsident Prabowo Subianto ordnete eine offene Untersuchung an, während der Chef der Nationalpolizei und der Polizeichef von Jakarta sich öffentlich für die Todesopfer entschuldigten. Sieben Brimob-Beamte, die mit dem Tod von Affan Kurniawan in Verbindung stehen, wurden festgenommen und müssen sich nun vor Gericht verantworten. Dennoch scheint die öffentliche Empörung kaum nachzulassen.

Seit dem 2. September dauern die Demonstrationen in mehreren Regionen mit unverminderter Intensität an. In der vergangenen Woche wurden Tausende von Demonstrant*innen festgenommen, wobei am 29. August mit mehr als 1.300 Festnahmen an einem einzigen Tag ein Höhepunkt erreicht wurde. Gleichzeitig berichtete die Allianz unabhängiger Journalist*innen (Aji) über Fälle von Gewalt gegen und Behinderungen von Journalist*innen, die über die Proteste berichteten.

Die Demonstrationen Ende August sind eine der größten Protestwellen der letzten Jahre in Indonesien. Angesichts der steigenden Zahl von Todesopfern, Massenverhaftungen und weitreichenden Sachschäden wartet die Öffentlichkeit nun darauf, ob die Regierung und das Parlament auf die Forderungen der Bürger*innen mit echten Reformen reagieren werden – oder ob sie riskieren, die Krise weiter zu verschärfen.

Die rot-weiße Nationalflagge wurde eingeholt und durch die anarchistische rot-schwarze Flagge und die One Piece Jolly Roger-Flagge (heute ein beliebtes Symbol des Widerstands in Indonesien) ersetzt. Das Gebäude, das brannte, war das Repräsentantenhaus der Stadt Pekalongan in Zentraljava.


Als der Aufstand internationale Schlagzeilen machte, verfassten anonyme Anarchist*innen unter dem Pseudonym »Archipelago of Fire« mehrere Erklärungen, in denen sie die Situation aus ihrer Sicht beschrieben. Wir wollten ihre Stimmen auch hier einbringen.

25. August 2025

»Jakarta gehört nicht mehr den verrotteten Eliten. Tausende aus allen Teilen des Landes stürmten die Hauptstadt. Dies ist nicht nur ein Protest, sondern ein kollektiver Ausbruch der Wut gegen steigende Wohnsteuern, endlose Korruption und die Militär- und Polizeihunde des Staates.«

»Von morgens bis abends verwandeln sich die Straßen in ein Schlachtfeld des Widerstands. Schreie, Feuer und Steine werden zur Sprache der Wut der Menschen.«

»Das ist kein Puppenspiel der Eliten; das ist rohe Wut, ungezähmt, ohne Anführer und unmöglich zu kontrollieren.«

29. August 2025

»Wütende Jugendliche erheben sich, ausgelöst durch steigende Steuern und ein repressives Militär. Es gibt keine Organisation; der Aufstand wird von jungen Anarchist*innen, Nihilist*innen und Unkontrollierbaren angeführt. Viele junge Anarchist*innen aus Schüler*innenverbänden werden verhaftet. Die Schüler*innen sind die treibende Kraft. Berichten zufolge wurden am 25. August etwa 400 von ihnen verhaftet. Die meisten Aktionen werden live in den sozialen Medien koordiniert.«

»Normalerweise kontrolliert eine liberale Gewerkschaft oder Oppositionspartei die Berichterstattung, aber diesmal ist das nicht der Fall. Selbst die Mainstream-Medien erkennen an, dass soziale Medien die Quelle der Berichterstattung sind. Politiker können die Narrative nicht mehr kontrollieren. Seit Jahrzehnten ist es Tradition, dass die studentischen Exekutivorgane normalerweise die Vermittler für solche Demonstrationen sind, aber jedes Jahr werden diese Vermittler entlarvt. Von den Studierenden selbst. Deshalb hassen NGOs, Gewerkschaften, »zivile Anarchist*innen« und Studierendenvereinigungen der Linken und Rechten die anti-organisatorische Fraktion.«

»Scheiß auf sie alle. Wir fordern die Jugendlichen auf, für sich selbst zu handeln.«

»Die Menschen lassen sich nicht mehr von ideologischen Pflichten, Normen und all diesen äußeren Werten einschüchtern.«

»Letzte Nacht (28. August 2025) hat die Polizei jemanden ermordet. Es kam zu landesweiten Unruhen gegen die Steuererhöhung. In mehreren Städten waren die Unruhen spontan und selbstorganisiert. Das öffentliche Ansehen der Polizei bröckelt weiter, da die Bevölkerung die Randalierenden unterstützt. Zellen koordinierten andere Dinge, und die meisten nihilistisch-aufständischen Ankündigungen dominieren die Berichterstattung.« Anonyme Social-Media-Konten mit Tausenden von Follower*innen rufen zu antipolitischen Aufständen auf. Jeden Tag veröffentlichen sie gute Aufrufe und Erklärungen. Die Gewerkschaftsvertreter kündigten an, dass wenn sie auf die Straße gehen würde »es keine Ausschreitungen geben«, aber die Jugendlichen und Randalierenden verspotten sie sofort in den sozialen Medien. Wir geben den Jugendlichen Recht. Wir können sie nur dazu anregen, noch unkontrollierbarer zu werden. Nachts ist das Internet zusammengebrochen. Während »zivile Anarchist*innen« Räte fordern, fordern wir, alles zu zerstören. Wir bieten nur Netzwerkkoordination und technische Fakten für Straßenaktionen. Wir organisieren niemals wirklich Menschen.

Seit Freitag, dem 29. August, kontrollieren Anarchist*innen im Grunde genommen die Berichterstattung. Die Menschen reagieren landesweit auf einen Aufruf, Polizeistationen und die Polizei selbst anzugreifen. Die Massenmedien haben die Kontrolle über Informationen und Nachrichten verloren.

»Unser Netzwerk ruft seit dem Polizeimord letzte Nacht immer wieder zur Rache auf, und es wird immer heißer. Die Zellen sind auf den Straßen.« »Man kann den Aufstand in verschiedenen Nachrichtenportalen sehen, allerdings sind alle guten Videos nur in den sozialen Medien zu finden.«

-Archipelago of Fire

»Das übersteigt unsere Vorhersagen. Normalerweise werfen Demonstrierende bei Protesten nur Steine oder verbrennen Reifen vor dem Büro. Sie stürmen niemals das Gebäude oder zünden es an.«

-Anonyme Anarchist*innen in Indonesien

Anarchistische Graffiti, dokumentiert in Lamongan, Indonesien während der aktuellen Unruhen.


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Aufnahmen von den Unruhen, bei denen das Gebäude des Repräsentantenhauses in Pekalongan City, Ost-Java, zerstört wurde. Eine Person schießt Feuerwerkskörper ab.


Übersetzung aus Indonesien: Anarchistische Stimmen aus den Aufständen, 2025 im Immergrün Verlag erschienen.

  1. In Indonesien gibt es keinen einheitlichen Mindestlohn; dieser variiert je nach Region. Laut ASEANBreifing liegt der Mindestlohn im Jahr 2025 jedoch je nach Wohnort zwischen etwa 2.053.777,8 Rupiah (125 US-Dollar) und 5.536.984,96 Rupiah (337 US-Dollar).